Ich brauche nicht gleich das teure Weltreise-Ticket zu buchen, ich kann immer noch ein Werkzeug dazu kaufen.“ Tillmann Schütt hat gefunden, was er lange vergeblich suchte: Software, um seine Landscheider Holzbau-Firma in Flethsee in Richtung Digitalisierung zu modernisieren. Schütt setzt jetzt auf ein Start-up aus Schenefeld.
Unternehmenssoftware von großen Anbietern ist teuer und aufwendig für einen Mittelständler wie Schütt: „Ich kaufe ein riesiges Multi-Tool und brauche nur drei Werkzeuge“, beschreibt er seine Bedenken. Also eine maßgeschneiderte Lösung programmieren lassen? Das dauert lange, mit ungewissem Ausgang, und ist ebenfalls teuer.
Schütt hat sich stattdessen mit dem 34-jährigen Jannes Köhler zusammengetan, der als Start-up-Unternehmer eine Software entwickelt, die in Modulen für viele Firmenbereiche das anbietet, was gerade benötigt wird. Univelop heißt Köhlers Produkt, im Fachjargon ist das eine „No-Code-Plattform“. Das heißt: Jede Firma erstellt ihre eigene App, und zwar ohne Programmieren, sondern per Drag & Drop; vergleichbar mit einer Homepage, die nicht mehr Zeile für Zeile programmiert, sondern mit einer Art Baukasten gestaltet wird.
Das Programm funktioniert sowohl auf dem Smartphone als auch auf einem PC oder Mac. Für bestehende Programme, beispielsweise aus der Buchführung, bietet Univelop Schnittstellen.
Im ersten Schritt schaffen Schütt und Köhler ein Info-Portal für Schütts Kunden. Dort finden sie Termine, Ansprechpartner, Pläne und Versicherungsunterlagen – alles stets aktuell. „Es geht immer um Aktualität und schnellen, unkomplizierten Zugang“, erklärt Schütt.
Mit dem Portal will der Unternehmer sicher stellen, dass alle Beteiligten an einem Bauvorhaben zum Beispiel immer mit den gültigen Plänen arbeiten. Das klingt trivial, ist in der bisher sehr analog organisierten Baubranche aber noch mit viel Papierkram, Organisation und Fahren verbunden, wenn jede Änderung als Ausdruck zur Baustelle und zum Kunden gebracht werden muss. „Wir müssen moderner werden“, schlussfolgert Schütt.
Im Oktober soll der Probelauf mit den ersten Kunden starten. Die nächsten Schritte mit Univelop sind schon geplant: eine digitale Dokumentation soll viele Kilogramm an Papier und Aktenordnern einsparen, Schütts Katalog für Standardwaren wie Fliesen eingebunden werden. Der Bauunternehmer sieht die Digitalisierung seiner Firma als lange Reise: „Wir sind auf dem ersten Streckenabschnitt.“
Entwickler Köhler aus Schenefeld ist mit seinem Unternehmen Univelop schon eine Stufe weiter: Bei Start-ups unterscheidet man klassisch vier Phasen, Univelop ist in der zweiten. Die erste Stufe, „Seed“, englisch für Saat oder säen, absolvierte der 34-jährige Wirtschaftsinformatiker im vergangenen Jahr. Da entwickelte er neben seiner Festanstellung seine Plattform. Im Januar gründete er seine GmbH, seit Mai arbeitet er nicht mehr angestellt, sondern nur noch für sein Projekt.
Jetzt steckt er in der „Early Stage“, der frühen Phase: „Es ist noch nicht ausgereift, aber es funktioniert gut“, beschreibt Köhler diese Phase, die von ständiger Verbesserung im Austausch mit den ersten Kunden wie zum Beispiel Schütt geprägt ist.
Nicht im Lehrbuch steht das Extra, das Köhler gerade bekam: Er hat den „Überflieger-Wettbewerb“ gewonnen. Der Preis: eine Reise nach San Francisco und ins „Mekka“ der Tech-Start-ups, das Silicon Valley. Dort soll Köhler andere Unternehmer und potenzielle Investoren treffen. Veranstaltet wird der Überflieger-Wettbewerb von schleswig-holsteinischen Wirtschaftsvereinen und dem Kieler Wirtschaftsministerium. „Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich da Erster werde“, sagt Köhler strahlend.
Wahrscheinlich fliegt er im März in die USA, und dann passt die Reise wieder ins Schema. Dann will Köhler die Phase „Growth“, also Wachstum, erreichen. Dann werden ganz viele Unternehmen angesprochen, deutschland- und weltweit. Mit dem wachsenden Umsatz will Köhler vor allem Mitarbeiter einstellen, um seine Plattform ständig zu verbessern.
Die vierte Start-up-Phase heißt „Mezzanine“, auf deutsch etwa Hochparterre. Dann helfen potente Investoren dem Start-up zum Börsenstart. Aber so weit denkt Köhler noch nicht.
„So ein großes Wagnis ist das gar nicht“, beurteilt er seinen Sprung in die Selbstständigkeit: Sollte es schief gehen, wird er mit seiner Qualifikation schnell einen Job finden. Er war ja nicht unglücklich in seiner alten Firma. Aber er hatte schon immer die Idee, etwas eigenes zu entwickeln. „Etwas erschaffen aus dem Nichts“, das fasziniert ihn am Programmieren. Für ihn ist die Firmengründung „schon eine Art von Selbstverwirklichung“.
Außer Kunden braucht Köhler auch Mitarbeiter. Software-Entwickler und Customer Success Manager, die seine Kunden bei der Digitalisierung begleiten und selbst nicht programmieren müssen. Weitere Informationen zur Software und der Prozessoptimierung gibt es auf Köhlers Homepage www.univelop.de.
Schenefeld, 22. September 2021
Quelle: sh:z
Bericht und Bilder: Jann Roolfs