Nachwuchstraining im Verein XY. Die Kinder warten zwischen zwei Übungen auf neue Kommandos. Plötzlich kommt ein fremder Mann im Trainingsanzug auf den Platz. Schnell hat er sich das Vertrauen von zwei Nachwuchskickern erschlichen und geht mit ihnen in eine nahe gelegene Sporthalle, angeblich um neue Bälle zu holen. So oder so ähnlich beginnt ein spezielles Training für acht bis zwölfjährige Fußballer/innen.
„Starker Schutz für junge Champions“ nennt sich das Projekt, mit dem der Schleswig-Holsteinische Fußballverband (SHFV) mit Unterstützung der AOK das Selbstbewusstsein junger Kicker stärken will, damit sie in Gefahren- und Krisensituationen richtig reagieren können.
Der „Fremde“, der sich in das Training eingeschlichen hat, ist niemand anderes als Projektleiter Michael Brucherseifer. Der Schenefelder, ein erfahrener Gewaltpräventions-Experte, hat seit dem Start des Projektes Anfang 2019 Kinder in neun Vereinen und drei Schulen sensibilisiert. Die Corona-Pandemie hat weitere Termine verhindert. Doch nun soll es wieder losgehen. Interessierte Vereine oder Schulen können sich jetzt beim SHFV für dieses spezielle Schutztraining anmelden.
Wie einfach es ist, Kinder zu beeinflussen, kann Brucherseifer jedes Mal mit Leichtigkeit aufzeigen. Der 70-Jährige mischt sich unter die Gruppe und sondert einige Kinder ab. Das ist natürlich mit den Trainern abgesprochen, doch letztlich macht sein Trainingsanzug mit dem SHFV-Logo nicht nur bei den Nachwuchskickern Eindruck. Brucherseifer sorgt aber schnell für Aufklärung und dann beginnt der wichtigste Teil der Prävention mit speziellen Trainingsformen gegen Gewalt. „Als erstes müssen die Kinder ihre Stimme einsetzen lernen. Das ist ganz wichtig, alles andere entwickelt sich“, erklärt Brucherseifer. Sollte jemand versuchen Gewalt anzuwenden, helfe ein Tritt ins Schienbein, um danach schnell die Flucht zu ergreifen und laut um Hilfe zu rufen. „Um richtig reagieren zu können, brauchen die Kinder Selbstvertrauen“, so Brucherseifer. Das versuche er ihnen beizubringen. „Aber auch Trainer, Betreuer und Eltern gehören zur Zielgruppe, damit sie wissen, wie sie ihre Schützlinge auf solche Situationen vorbereiten können.“
Brucherseifer, der seit 2013 in Schenefeld lebt, ist seit 13 Jahren Referent beim SHFV. Bekannt dürfte er den meisten Fußballern an der Westküste aber vor allem als resoluter Schiedsrichter sein. 2007 hatte er den damaligen SHFV-Beauftragten für Gewaltprävention Dr. Tim Cassel kennen gelernt, der ihn in sein Team holte. Ein Lehramt hat der 70-Jährige nie studiert, er kam als Quereinsteiger in den Schuldienst. Geboren in Wissen im Westerwald arbeitete sich Brucherseifer in der Bundeswehr als Hubschrauber-Techniker über Niedersachsen bis nach Schleswig-Holstein hoch, wo nun seine neue Heimat ist. Bis 1980 war er Soldat, zuletzt in Tarp. Nach Ende seiner Dienstzeit schulte er zum Koch um, arbeitete fortan in der Gastronomie als Geschäftsführer und Koch. Da er dabei auch für Auszubildende zuständig war, rückte die Arbeit mit jungen Leuten in seinen Fokus. Wegen einer schweren Krankheit musste er diese Tätigkeit aber abrupt beenden. Die Reha führte ihn nach St. Peter-Ording, wo er den Schulleiter Georg-Werner Jensen kennenlernte, der schnell Brucherseifers Potenzial erkannte. Als Fußballer mit einer Trainer-B-Lizenz war es nicht schwierig ihn 2004 aufgrund des damaligen Mangels an Pädagogen als Sportlehrer einzustellen. Die Ausbildung als Präventionstrainer musste er allerdings noch absolvieren. Danach leitete er Kurse an acht weiteren Schulen, bis er wie bereits erwähnt 2007 Tim Cassel kennenlernte. Der mittlerweile zum SHFV-Geschäftsführer aufgestiegene ehemalige Torhüter schätzt Michael Brucherseifer als wichtigen Bestandteil im Team der Ehrenamtler des Verbandes. „Er hat sich von Anfang an sehr für soziale Projekte eingesetzt, ist sehr zuverlässig und hochmotiviert.“ Brucherseifer verstehe es andere mitzureißen und besitze eine besondere Stärke im Umgang mit Jugendlichen. „Er ist ein fröhlicher Mensch, der mit viel Witz an seine Aufgaben herangeht.“ Es gebe nur wenige, die mit einem solchen Engagement dabei seien. „Ich bin von ihm total überzeugt und hoffe, dass er uns noch lange erhalten bleibt“, so Cassel. Für das Projekt „Starker Schutz für junge Champions“ sei Michael Brucherseifer jedenfalls genau der richtige Mann. Er könne den Kurs deshalb nur allen Vereinen mit jungen Nachwuchskickern empfehlen.
Kontakt
Informationen zum kostenlosen Präventionstraining gibt es auf der Homepage www.shfv-kiel.de. Die Kontaktaufnahme sollte mindestens vier Wochen vor dem avisierten Termin stattfinden. Ansprechpartner sind Andy Watzlawczyk (e-mail an a.watzlawczyk@shfv-kiel.de) oder Michael Brucherseifer (m.brucherseifer@shfv-kiel.de).
Schenefeld, 03.09.2020
Quelle: sh:z v. 19.08.2020
Text und Bilder: Reiner Stöter