Eigentlich gilt eine Kirche als ein Ort der Ruhe und Besinnung. In der Schenefelder Bonifatiuskirche geht es derzeit allerdings nicht so still zu – lauter Baulärm hallt aus dem Gotteshaus, vor dem Altar wurde ein großes Folienzelt aufgebaut. „Das soll die Kirche vor Baustaub schützen“, sagt Reinhard Heesch, als er vorsichtig den Reißverschluss des Zeltes öffnet und auf ein tiefes Loch im Boden zeigt. „Hier habe ich bereits gebuddelt.“
Seit vielen Jahren schon beschäftigt sich der Schenefelder mit der Geschichte der ältesten Kirche Norddeutschlands, wo derzeit keine Gottesdienste gefeiert werden können. Unterschlupf aber findet die Gemeinde in der Kirche in Reher. „Den Gottesdienst zu Ostern möchte Pastor Kaiser wieder hier in seiner Kirche halten“, sagt Heesch. Ob die dringend erforderlichen Baumaßnahmen am Fußboden im Altarraum bis dahin tatsächlich abgeschlossen sein werden, kann er nicht mit Sicherheit sagen. Denn der bauliche Aufwand, den die Senkung im Fußboden des Altarraums mit sich bringe, sei sehr aufwendig.
Erstmals wurden vor gut drei Jahren Bewegungen im Fußboden des Altarraumes festgestellt. „Vermutlich durch nicht wieder verfüllte Grabungsgänge aus den 30er Jahren“, sagt Pastor Manfred Kaiser und fügt hinzu, dass erst durch umfangreiche Messungen im vergangenen Jahr das ganze Ausmaß des Schadens sichtbar wurde. Heesch ergänzt: „Mitarbeiter der Uni Kiel entdeckten dabei Strukturen in der Senkung, die auf eine in den 30er Jahren durchgeführte archäologische Grabung durch den Kunsthistoriker Alfred Kamphausen zurückgeht – er fand die Fundamente der ersten Steinkirche und legte sie frei.“ Die Ausgrabungen reichten bis zum Rundbogen, wo eine Treppenanlage zur ersten Steinkirche gefunden wurde. Die angelegten Grabungsgänge wurden jedoch nicht wieder verfüllt, so dass weitläufige Hohlräume entstanden. „Von den Seiten rutschte Material in diese Hohlräume, der Fußboden verlor dadurch seine Stabilität und sackte nach unten weg.“
Mitte Februar erfolgte schließlich eine von Heesch durchgeführte Sondierungsgrabung. Diese habe einen Gipsfußboden in 60 Zentimetern Tiefe bestätigt. Bei einer weiteren Grabung entdeckten Bauarbeiter dann sogar einen Schädel unter der Gipsschicht. „Dieser wird selbstverständlich wieder beigesetzt – allein aus ethischen Gründen“, sagt Heesch. Vorher aber wolle er dem Fund „noch einen Zahn ziehen“. Mit einer ausschließlich in den USA durchgeführten Methode soll das Alter des Skeletts bestimmt werden.
Missionskirche der Holsteiner Da Adam von Bremen um das Jahr 1075 in seiner Hamburgischen Kirchengeschichte erwähnt, dass in Schenefeld die Missionskirche der Holsteiner, ein sächsischer Stamm, liege, geht Heesch davon aus, dass es sich bei dem Fund um die Überreste eines Sachsen handeln dürfte. Doch handelt es sich auch um das Reliquiengrab der Holsteiner Taufkirche, nach der frühere Wissenschaftler suchten? „Mit dieser Frage konnten wir auf jeden Fall Archäologen aus Schleswig nach Schenefeld holen“, so Heesch. Und er ist sich sicher, dass es sich um die gesuchte Kirche des Adam von Bremen handele. „Eine andere Deutung lässt der jetzige Befund nicht zu.“
Und wie kam es eigentlich zu der jetzt entdeckten Senkung im Boden? „Das ist ein Krimi“, sagt Heesch. 1968 habe der damalige Friedhofswärter der Kirchengemeinde Schenefeld auf Anweisung des ehemaligen Pastors eine unerlaubte Grabung unter dem Fußboden vorgenommen. „Eine unsachgemäße Verfüllung sorgte schließlich dafür, dass sich eine Bodensenke abzeichnete.“
Das Landeskirchenamt hat schon grünes Licht für die Sanierung gegeben. Geplant ist das Einbringen eines Glasschaumgranulats, auf das dann der Aufbau und die Wiederherstellung des Fußbodens erfolgen können. Eine große Herausforderung wird es sein, die zuvor herausgenommenen und nummerierten Bodenfliesen wieder genau dort einzusetzen, wo sie vorher lagen.
Schenefeld, 13. März 2020
Quelle: sh:z
Bericht und Bilder: K. Mehlert